Der neue Präsident des Europäischen Rechnungshofs Klaus-Heiner Lehne mahnte, dass die Europäischen Institutionen in gewissem Maße das Vertrauen der EU-Bürger verloren haben. In seiner Rede anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2015 der EU-Prüfer vor dem Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments erklärte er, dass die EU in den kommenden Monaten und Jahren vor der großen Herausforderung stehen wird, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Herr Lehne legte den MdEP dar, dass Reformen ganz klar nötig seien, diese sich aber unabhängig von ihrer Art auf ein stabiles finanzielles Fundament stützen müssen. Dies bedeute, dass die EU für eine ordnungsgemäße Rechnungsführung sorgen und sicherstellen müsse, dass ihre Finanzvorschriften korrekt befolgt werden. Außerdem müsse eine optimale Mittelverwendung erreicht sowie Transparenz und Zuverlässigkeit sichergestellt werden.
"Wie können die Menschen den EU-Institutionen auch nur im Ansatz vertrauen, wenn sie nicht davon überzeugt sind, dass wir gut auf ihr Geld achten und ordnungsgemäß darüber Buch führen?", so Herr Lehne.
Wie der diesjährige Jahresbericht der EU-Prüfer zeigt, sind die Fehlerquoten bei Förderregelungen, die auf der Erstattung von Kosten der Begünstigten basieren, tendenziell höher als bei Regelungen, die auf Zahlungsansprüchen beruhen. Außerdem wird im Bericht auf die Risiken für das Finanzmanagement hingewiesen, die sich daraus ergeben, dass Darlehen, Garantien und Beteiligungsinvestitionen direkt oder indirekt aus dem EU-Haushalt bereitgestellt werden.
Die Prüfer haben die Jahresrechnung der Europäischen Union für 2015 abgezeichnet, wie dies für jedes Jahr seit 2007 der Fall gewesen ist. Sie gelangen ferner zu der Schlussfolgerung, dass die Erhebung der EU-Einnahmen keine Fehler aufwies. Die von ihnen geschätzte Fehlerquote bei den Ausgabenvorgängen beträgt jedoch 3,8 % (gegenüber 4,4 % im Jahr 2014). Diese Quote ist kein Maß für Betrug, Ineffizienz oder Verschwendung. Vielmehr handelt es sich um eine Schätzung der Mittel, die nicht hätten ausgezahlt werden dürfen, weil sie nicht vollständig im Einklang mit den EU-Vorschriften verwendet wurden.
Die von den Prüfern ermittelten geschätzten Fehlerquoten sind bei Ausgaben, die der geteilten Mittelverwaltung mit den Mitgliedstaaten unterliegen (4,0 %), und bei direkt von der Kommission verwalteten Ausgaben (3,9 %) weiterhin nahezu identisch.
Laut Bericht wirkt sich besonders stark auf die Fehlerquote bei den Ausgaben aus, dass die verschiedenen Förderregelungen unterschiedliche Risikomuster haben: zum einen Erstattungsregelungen - hier erstattet die EU auf der Grundlage von Meldungen der Begünstigten förderfähige Kosten - und zum anderen auf Zahlungsansprüchen basierende Regelungen - hier werden Zahlungen bei Erfüllung bestimmter Bedingungen geleistet. Bei der Erstattung von Kosten ist die Fehlerquote viel höher (5,2 %) als bei Ausgaben, die auf Zahlungsansprüchen basieren (1,9 %).
Korrekturmaßnahmen durch die Behörden in den Mitgliedstaaten und die Kommission wirkten sich positiv auf die geschätzte Fehlerquote aus, so die Prüfer. Die Kommission hat zwar Maßnahmen getroffen, um ihre Bewertung des Risikos und der Auswirkungen der Korrekturmaßnahmen zu verbessern, doch besteht hier weiterhin Verbesserungsbedarf. Zahlreiche Fehler hätten verhindert bzw. aufgedeckt und berichtigt werden können, bevor die entsprechenden Zahlungen geleistet wurden.
Überdies unterscheidet sich der Umfang der formalen Folgemaßnahmen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten ergriffen werden, erheblich voneinander, obwohl den Mitgliedstaaten unsere Empfehlungen im Allgemeinen hinlänglich bekannt sind. Daher finden die Prüfer nur wenige Anhaltspunkte für Änderungen der nationalen Politik und Praxis.