Großkorruption und eine Vereinnahmung des Staates im Sinne privater Interessen sind in der Ukraine immer noch weit verbreitet. Dies geht aus einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Für die EU ist die Bekämpfung der Korruption in der Ukraine eine Priorität. Sie hat dafür in den unterschiedlichsten Bereichen – vom Wettbewerbsumfeld über die Justiz bis hin zur Zivilgesellschaft – Anstrengungen unternommen und Geld bereitgestellt. Doch diese Unterstützung und die ergriffenen Maßnahmen hätten nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt, so die Prüfer.
Bereits seit über 20 Jahren unterstützt die EU die Ukraine bei deren Reformagenda. Fester Bestandteil ist dabei die Bekämpfung der Korruption. Diese ist ein Haupthindernis für die Entwicklung des Landes und läuft den Werten der EU zuwider. Korruption auf höchster Ebene und sogenannte Staatsvereinnahmung sind in der Ukraine weit verbreitet. Sie behindern nicht nur Wettbewerb und Wachstum, sondern schaden auch dem Demokratisierungsprozess. Dutzende Milliarden Euro gehen jedes Jahr infolge von Korruption verloren. Die Europäische Kommission, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) und die EU-Beratungsmission haben versucht, dieses Problem in den Griff zu bekommen, und mehrere Reformen unterstützt, um die Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption in der Ukraine zu stärken.
Der EU sind die Verbindungen zwischen Oligarchen, hochrangigen Beamten, Politikern, der Justiz und staatseigenen Unternehmen seit Langem bekannt. Trotzdem habe sie – so die Prüfer – keine echte Strategie zur Bekämpfung von Korruption auf höchster Ebene entwickelt. Beispielsweise würden illegale Kapitalströme, einschließlich Geldwäsche, nur am Rande thematisiert. Zwar habe die EU viele Reformen und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in der Ukraine unterstützt, und in den meisten Fällen hänge die Höhe der Unterstützung davon ab, inwieweit eine Reihe von Auflagen erfüllt sind. Doch die Kommission sei bei ihrer Bewertung oft zu großzügig gewesen, was zu übertrieben positiven Einschätzungen geführt habe. Als Beispiel nennen die Prüfer den visafreien Reiseverkehr. Dessen Umsetzung sei nicht infrage gestellt worden, obwohl zwei der drei Voraussetzungen für EU-Hilfe nicht erfüllt gewesen seien.
"Obwohl die Ukraine Unterstützung unterschiedlichster Art vonseiten der EU erhält, untergraben Oligarchen und Interessengruppen nach wie vor die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine und gefährden die Entwicklung des Landes", so Juhan Parts, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Die Ukraine braucht eine zielgerichtete und effiziente Strategie, um die Macht der Oligarchen unter Kontrolle zu halten und die Vereinnahmung des Staates zu verringern. Die EU kann dabei eine viel zentralere Rolle spielen als bisher."